Wenn Texte Rost ansetzen

Selbst eigene Texte können im Laufe der Zeit Rost ansetzen, höchste Zeit, sie zu überarbeiten.

Du kennst sicherlich den Vorgang der Korrosion bei Eisen oder Stahl. Es entsteht Rost. Aber können auch Texte von Rost befallen werden?

Sie können es, zumindest virtuell. Angefangen mit viel Elan, schmoren sie in einem Notizheft oder sterben den langsamen Datentod auf dem Rechner.

Dabei hat hinter deiner Geschichte einmal eine inspirierende Idee gesteckt, die nur darauf wartet, wiederbelebt zu werden.

Was stellst du mit einem Text an, der Rost angesetzt hat?

Im ersten Schritt natürlich lesen!
Bevor du tiefer in die Analyse einsteigst, notiere oder markiere dir spontan Dinge oder auch Szenen, die dir an deinem Text gefallen haben. Gleiches gilt auch für die Szenen, Sätze, Aussagen etc., die dich verwundert haben oder bei denen du sogar hängen geblieben bist, weil du sie im ersten Durchgang nicht verstanden hast.

Nutze den Vorteil der langen Textabstinenz und entdecke deine Story neu, als wärest du ein “gewöhnlicher” Leser.

Finde erst einmal für dich heraus, ob die Geschichte es wert ist, überarbeitet zu werden. Reicht es, ihr mit der Drahtbürste zu Leibe zu rücken und den Rost zu entfernen oder musst du zu härteren Maßnahmen greifen?

Die Schadensanalyse

Eine richtig tolle Story sollte schnurren wie ein gut geölter Motor. Sie nimmt schnell Fahrt auf und katapultiert den Leser von Null auf Hundert auf der Lese-Autobahn zum Ziel.

Wenn deine Story stottert, solltest du dir Zeit nehmen und sie analysieren. Dabei stelle dir folgende Fragen und versuche sie zu beantworten:

  • Was ist die Kernidee deiner Geschichte?
  • Wer sind die Hauptpersonen?
  • Durchlaufen die Hauptpersonen eine Entwicklung?
  • Hast du die Stimmung, Klangfarbe, Sprache und Tempo an das Genre angepasst bzw. durchgängig gehalten?
  • Wie klingen die Dialoge? Sind sie eventuell zu künstlich oder gestelzt?
  • Hast du darauf geachtet, Gefühle und Ereignisse aktiv darzustellen, statt sie zu beschreiben (Show, don’t tell)
  • Hast du eine knackige Einleitung, einen Höhepunkt und einen wirklich guten Schluss gefunden?

Je nachdem, ob es sich bei deinem Text um eine Kurzgeschichte oder einen Roman handelt, können diese Fragen natürlich nur ein Einstieg in die Bearbeitung bieten, aber etwas Rost kannst du damit schon abkratzen.

Häufige Fehlerquellen

Vermeide lange Beschreibungen – egal, ob es sich um geschichtliche, familiäre oder andere Zusammenhänge handelt. Verwandle sie in Aktion! Statt zu erklären, warum deine Hauptperson dieses oder jenes tut, lass es sie erleben. Wie nimmt sie die Situation wahr? Was bewegt sie? Welche Gedanken schießen ihr durch den Kopf?
Je mehr Sinne du dabei einfließen lässt (Geruch, Geschmack etc.), desto aktiver ist auch dein Leser am Geschehen beteiligt.

Führe deinen Leser nicht auf das Glatteis. Beginne nicht mit einem Krimi, wechsel dann über zu einer Liebesgeschichte und ende als Drama. Bleibe bei einem Genre und würze eventuell mit entsprechenden dramatischen, traurigen oder romantischen Zutaten.

Versuche nicht andere Autoren zu kopieren. Auch wenn dir der Stil noch so gut gefällt, du hast deine eigene Stimme. Deine Erzählstimme ist die Summe aus deinen Erfahrungen und all den Texten, die du im Leben gelesen hast. Drücke deinen Texten deinen individuellen Stempel auf und überprüfe bei Testlesern, wie er ankommt.

Auch wenn du Lieblingsszenen hast, die du unbedingt unterbringen möchtest, überlege dir genau, ob sie wirklich in den Kontext passen. Manchmal sind es genau diese Szenen, die du unbedingt im Text haben willst, die den Leser am meisten verwirren. Lass zu, dass Lieblingsszenen dem Text entwachsen können.

Repariere oder entroste diese überflüssigen Szenen, verleihe ihnen einen neuen Anstrich, platziere oder drapiere sie in neuen Texten.

Generalüberholung

Du schreibst keinen Text umsonst, selbst wenn er erst einmal keinen Leser findet.

Er lagert eventuell eine Zeitlang in deinem persönlichen Archiv, aber irgendwann entdeckst du ihn neu. Du bekommst Lust, ihn zu entrosten, zu beleben. Vielleicht ist es eine Menge Arbeit, aber wenn du den Zahn der Zeit auf und in den alten Texten erkennst, bedeutet das, dass du in der Zwischenzeit dazugelernt hast, dich weiter entwickelt hast.

Du kannst neue Teile in deinen Text einfügen, unerwartete Entwicklungen, polieren, reparieren und am Ende bist du vielleicht sogar erstaunt, dass du vor Jahren eine verdammt gute Idee hattest, aber damals noch nicht wusstest, wie du sie richtig anpacken musst.

Es kann sich also durchaus lohnen, nicht nur in alten Texten zu stöbern, sondern ihnen auch von Zeit zu Zeit mit der Drahtbürste zu Leibe zu rücken, um herausfinden, ob du ihnen am Ende nicht doch noch ein Glänzen entlocken kannst.

Deine Texte können in die Jahre kommen, Rost ansetzen.

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